Seit dem 7. Jahrhundert: Besiedlung des Gebiets durch slawische Völker
10. Jahrhundert: Erste Bezeichnung des Gebiets als „Bosnien“ in einer byzantischen Urkunde
13.-14. Jahrhundert: Königreich Bosnien
1463-1878: Teil des Osmanischen Reichs
1878-1918: Teil Österreich-Ungarns
1918-1941: Teil des Königreichs Jugoslawien
1941-1945: Teil des Unabhängigen Staats Kroatien
1945-1992: Teil des sozialistischen Jugoslawiens
1992-1995: Bürgerkrieg
Seit 1995: Staat Bosnien und Herzegowina, aufgeteilt in die Republik Srpska, die Föderation Bosnien und Herzegowina und den Distrikt Brčko.
Seit dem 7. Jahrhundert siedelten auf dem Gebiet des heutigen Staates vor allem Slawen, die während der Christianisierung unterschiedliche Formen des Christentums annahmen. Im 13. und 14. Jahrhundert entstand das Königreich Bosnien, das allerdings während der Expansion des Osmanischen Reiches in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erobert und dem Reich eingegliedert wurde. Die von 1463 bis 1878 reichende Herrschaft des Osmanischen Reiches prägt Bosnien und Herzegowina bis heute in vielen Bereichen, so wurde zu dieser Zeit der Grundstein für die Ausdifferenzierung in die auch heute noch aktuellen drei ethnonationalen Bevölkerungsgruppen gelegt. Die religiöse Vielfalt in Bosnien und Herzegowina wuchs: Viele Bewohner des Gebietes konvertierten zum Islam, des Weiteren zogen im 16. Jahrhundert sephardische Juden und orthodoxe Vlachen zu. Das Osmanische Reich förderte diese Vielfalt durch das osmanische Millet-System, das lokale Selbstverwaltung auf religiöser Basis bedeutete. Damit oblag die Organisation des politischen, kulturellen und sozialen Lebens der jeweiligen religiösen Führung, was die einzelnen Glaubens- und Lebensgemeinschaften zunehmend voneinander trennte, zumal diese religiöse Differenzierung sich oft mit der sozialen und ökonomischen Situation überschnitt. Das Zusammenleben der verschiedenen Religionsgemeinschaften war damit teilweise kooperativ, teilweise spannungsvoll.
Im 19. Jahrhundert zeichnete sich ein Niedergang des Osmanischen Reiches in Europa ab, während sich gleichzeitig nationale und nationalstaatliche Ideen und Ziele herausbildeten. Bosnien und Herzegowina war davon zwar auch betroffen, vor allem durch die Nachbarstaaten, es gab aber keine eigene bosnische Nationalbewegung, dafür waren die Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen zu groß.
Von 1878 bis 1918 unterstand Bosnien und Herzegowina Österreich-Ungarn: Auf dem Berliner Kongress wurde es Österreich-Ungarn zunächst nur als Verwaltungsbereich zugeteilt, weil das Osmanischen Reiches im russisch-türkischen Krieg (1876-1877) unterlag. Bis 1908 blieb Bosnien und Herzegowina formell noch Teil des Osmanischen Reiches, dann wurde es endgültig von Österreich-Ungarn annektiert. Deren Interesse lag vor allem darin, zu verhindern, dass sich (der panslawischen Idee folgend) die südslawischen Völker und Gebiete zusammenschließen. Unter der Herrschaft Österreich-Ungarns fanden in Bosnien starke Modernisierungen statt, die sich jedoch vor allem auf die Städte bezogen, sodass die Analphabetenrate im Land sehr hoch blieb und die ländlichen Gegenden nicht von Eisenbahnverbindungen, Industrie und Bildungssystem profitierten. Stattdessen wurde die Trennung der religiös basierten Bevölkerungsgruppen noch verschärft: Österreich-Ungarn nutzte die Kirchen als zentrale Ansprechpartner und auch die Schulbildung oblag den jeweiligen Religionsgruppen, die Konfessionen wurden also weiterhin politisiert. 1919 bekam Bosnien und Herzegowina einen Landtag mit begrenzter Gesetzgebungskompetenz und Budgetrecht; allerdings wurde die Regierung weiterhin von außerhalb eingesetzt.
Weithin als ein Auslöser des 1. Weltkriegs bekannt ist das Attentat von Sarajevo, bei dem Österreich-Ungarns Thronfolger und seine Frau durch die Gruppe Mlada Bosna (= Junges Bosnien) ermordet wurden. Die serbisch-nationalistische Gruppierung setzte sich heterogen aus allen Bevölkerungsteilen Bosnien und Herzegowinas zusammen. Ziel war es, die österreichisch-ungarische Herrschaft im eigenen Land zu bekämpfen und stattdessen eine Vereinigung der Südslawen – jugoslawisch oder großserbisch geprägt – einzusetzen.
Im Weltkrieg setzte Österreich-Ungarn auch Einheiten aus Bosnien und Herzegowina ein, ging jedoch gleichzeitig strikt gegen die serbisch-orthodoxe Zivilbevölkerung vor (inklusive Erschießungen und Massenumsiedlungen), weil sie sie als ein Sicherheitsrisiko wahrnahm. Nach der Kriegswende 1918 zog sich die Armee Österreich-Ungarns aus Bosnien und Herzegowina zurück und wurde von der serbischen Armee, die von Frankreich und England unterstützt wurde, abgelöst. Damit siegte Serbien und die Herrschaft Österreich-Ungarns endete; im Dezember 1918 wurde das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gegründet. Damit war Bosnien und Herzegowina erstmals in der Mitte eines Staates, allerdings auch hier nur geographisch und nicht politisch.
Der neue Staat war zentralistisch um Belgrad als Mittelpunkt orientiert und setzte besonders auf kroatische Interessen. Während 1921 in der Verfassung Bosnien und Herzegowina seine territoriale Einheit innerhalb seiner historischen Grenzen zugesichert wurde, wurde das Gebiet 1929 komplett zerschlagen: Die zunehmenden innerjugoslawischen Spannungen führten zur Umbenennung des Staates in Königreich Jugoslawien und einer Aufteilung in neun Banschaften. Dabei wurden die historischen Grenzen ignoriert und Bosnien und Herzegowina auf vier Banschaften aufgeteilt, die zudem weitere Gebiete umfassten. Zu der Zerstückelung des Gebietes kam eine wirtschaftliche Vernachlässigung Bosnien und Herzegowinas hinzu; weder hinsichtlich Infrastruktur und Industrie, noch hinsichtlich Bildung wurden Modernisierungen unternommen. Stattdessen wurden auch das soziale Gefüge zerrüttet: In den 1920er Jahren wurde das Land der hauptsächlich muslimischen Großgrundbesitzer an serbische Bauern verteilt.
Im März 1941 wurde das Königreich Jugoslawien von Nazi-Deutschland und seinen Verbündeten überfallen, besiegt und neu aufgeteilt. Bosnien und Herzegowina wurde mit dem Unabhängigen Staat Kroatien (USK) unter Führung der Ustascha Bewegung zugeteilt, allerdings aufgeteilt in eine deutsche und eine italienische Besatzungszone. Bosnien und Herzegowina wurde dabei als kroatisches Land gesehen und Serben, Roma und Juden gnadenlos verfolgt, während die bosnischen Muslime wohlwollend betrachtet wurden, da sie als muslimische Kroaten galten. Es gab in Bosnien und Herzegowina sowohl wohlwollende Reaktionen auf das neue Regime, aber auch zahlreiche Widerstandskämpfe und Rebellengruppen. Zum einen kommunistische Partisanen unter Tito, zum anderen die königstreuen serbisch-nationalistisch orientierten Tschetniks, die sich auch untereinander bekämpft haben aufgrund unterschiedlicher politischer Vorstellungen und Erwartungen. Dadurch sowie durch die Lage in der Mitte des früheren Jugoslawiens und der bergigen Landschaft entwickelte sich Bosnien und Herzegowina zu einem Brennpunkt des Krieges, sowohl des 2. Weltkrieges insgesamt als auch des innerjugoslawischen Bürgerkriegs. Die Tschetniks verübten Massaker an den Muslimen (die sie als Verbündete der Ustascha ansahen) und kollaborierten mit den deutschen Besatzern teilweise sogar gegen die Partisanen. Diese waren multinational definiert, ihnen gehörten auch bosnische Juden an und bekämpften die Deutschen und Tschetniks.
Die menschlichen Verluste Bosnien und Herzegowinas im 2. Weltkrieg waren die höchsten im jugoslawischen Raum, vor allem, da nach Kriegsende durch die Partisanen weitere bosnische Kroaten (Ustascha, aber auch Zivilisten) umgebracht wurden.
Von 1945 bis 1992 war Bosnien und Herzegowina eine Republik in Titos sozialistischem Jugoslawien, was bedeutete: Es erhielt eine eigene Verfassung, eine Flagge, ein Wappen, eine Regierung samt Parlament und Rechtswesen. Obwohl das „neue Jugoslawien“ also föderalistisch organisiert war, gab es durchaus ausgeprägte zentralistische Tendenzen: Die Kommunistische Partei Jugoslawiens, später unbenannt in Bund der Kommunisten Jugoslawiens (BdKJ) vertrat ihren Herrschaftsanspruch mit starken Repressionen, besonders in Bosnien und Herzegowina. Die Republik war deswegen so im Blick der BdKJ, da sie besonders völkerreich und divers war und als empfindliches Terrain in Bezug auf nationale Fragen gewertet wurde. Auch die Säkularisierungspolitik der BdKJ brachte einschneidende Veränderungen: Die Kirchen verloren ihre Relevanz für das politische Leben, Religion wurde zur Privatsache.
Im Zuge der weiteren Föderalisierung des Bundesstaats wurden die Muslime Bosnien und Herzegowinas von einer religiösen zu einer nationalen Gruppe; anfangs war man davon ausgegangen, dass sich diese „national unentschiedenen“ Muslime irgendwann für eine Nationalität entscheiden würden; in den 1960er Jahren wurden sie als „sechstes Volk Jugoslawiens“ anerkannt (und der Begriff „Bosniaken“ bürgerte sich für sie ein). Während Bosnien und Herzegowina lange mit dem Vorwurf, aufgrund ihrer Trinationalität im Vergleich eine zweitrangige Republik zu sein, zu kämpfen hatte, stärkte Tito gerade diese, um ein Gegengewicht zum serbisch-kroatischen Konflikt innerhalb Jugoslawiens zu haben. Dennoch griff die kommunistische Partei in Bosnien und Herzegowina nach wie vor besonders strikt und schnell gegen nationalistische Bestrebungen durch. Die Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina nahm sich – mit wenigen Ausnahmen – nach wie vor nicht als Jugoslawen war, sondern betrachteten sich als ihrer Nationalität zugehörig. Besonders auf dem Land waren die unterschiedlichen Nationalitäten stark getrennt; es kann zu sozialistischen Zeiten nicht von einer jugoslawischen oder eine bosnisch-herzegowinischen Identität gesprochen werden.
Da Tito Bosnien und Herzegowina eine wichtige Rolle im Falle eines sowjetischen Angriffs zuwies, wurde in der Republik auf industrieller, infrastruktureller und bildungspolitischer Ebene viel aufgestockt; dennoch lag sie im Vergleich besonders hinsichtlich des Einkommens, der Bildungsrate und der wirtschaftlichen Entwicklung weit unter dem Durchschnitt Jugoslawiens. Nach dem Tod Titos eskalierte die Situation zunehmend: eine starke Inflation, eine Auflösung des politischen Apparats und der Rückgang des Lebensstandards waren die Folgen. Das zunehmende Erstarken der nationalistischen Tendenzen in Serbien und Kroatien wirkte sich zunehmend auch auf Bosnien und Herzegowina aus.
1990 erlaubte die BdKJ den Republiken erstmals freie Wahlen und verlor prompt gegen die drei nationalen Parteien in Bosnien und Herzegowina, die eine gemeinsame Koalitionsregierung bildeten. Bei dem zunehmenden Zerfall Jugoslawiens versuchte Bosnien und Herzegowina zunächst, sich neutral zu verhalten, besonders, als sich die Unabhängigkeit Kroatiens und Sloweniens zunehmend abzeichnete. Als sich die Situation verschärfte, wurde deutlich, dass das innerbosnische Lager gespalten war: während die bosnoserbischen Parteien weiterhin in Jugoslawien bleiben wollten, auch in einem vielleicht verkleinerten, lehnten die muslimischen und bosnokroatischen Parteien ein von Serbien dominiertes Jugoslawien ab und strebten die Unabhängigkeit an. Die Unabhängigkeit Bosnien und Herzegowinas kam aber weder für Serbien, noch für Kroatien in Frage und auch die Europäische Gemeinschaft weigerte sich 1991, die Bestrebungen anzuerkennen. Im Januar 1992 erklärte die bosnoserbische Partei SDS die von ihnen kontrollierten Gebiete zur Republik des serbischen Volkes von Bosnien und Herzegowina; der übrige Teil wurde im April als unabhängiger Staat anerkannt. Damit begann der Krieg: die bosnoserbischen Kräfte, unterstützt von Serbien auf der einen Seite, die international anerkannte Regierung in Sarajevo, unterstützt vom Kroatischen Verteidigungsrat, auf der anderen Seite. Allerdings war die serbische Armee von Anfang an überlegen und die bosnokroatischen Kräfte kündigten Sarajevo bald die Loyalität auf. Das führte zu einem eigenen Krieg zwischen der Armee von Bosnien und Herzegowina, den bosnokratischen Kräften und dem Kroatischen Verteidigungsrat. Bis 1994 gab es kein entscheidendes Vorankommen, da sich die internationale Staatengemeinschaft gegen ein militärisches Eingreifen entschieden hatte und die UNO nur eine Gruppe schickte, die humanitäre Hilfe sichern sollte. Die Friedensinitiativen der UNO und der EG scheiterten anhand der unterschiedlichen Vorstellungen aller Kriegsparteien über die weitere territoriale und politische Gestaltung des Landes. 1994 beschloss die USA, stärker einzugreifen und der „Krieg im Krieg“ zwischen Sarajevo und den bosnokroatischen Kräften zu beenden. In einem Abkommen wurde die bosniakisch-kroatische „Föderation von Bosnien und Herzegowina“ gegründet. Im Jahr darauf gelangen dieser die ersten militärischen Erfolge, sodass im Herbst die Föderation von Bosnien und Herzegowina und die serbische Armee jeweils 50 Prozent aller Gebiete kontrollierten. Daraufhin akzeptierten alle die von den USA initiierten Friedensverhandlungen, bei denen es am 21. November 1995 zum Friedensabkommen von Dayton kam. Darin wurde der Bosnien-Krieg beendet und Bosnien und Herzegowina bekam als unabhängiger Gesamtstaat eine neue Verfassung. Diese war explizit so konzipiert, dass keine der ethnischen Gruppen die anderen dominieren konnte. Desweiteren wurde der Staat in zwei Entitäten aufgeteilt: die bosniakisch-kroatische Föderation Bosnien und Herzegowina und die serbisch dominierte Republik Srpska.
Die Folgen des Krieges waren dramatisch: zwei Millionen Bewohner des Landes waren von Flucht und Vertreibung betroffen, 100 000 Menschen waren getötet worden, fast die Hälfte davon Zivilisten, hinzu kam die massive materielle Zerstörung. Am deutlichsten werden die Ausmaße des Krieges und des Hasses, den er mit sich brachte, darin, dass es „ethnische Säuberungen“ zur „Homogenisierung“ der besetzten Landesteile gab, denen sich alle Parteien schuldig machten. Die Ermordung von über 8000 Bosniaken 1995 durch die Armee der Republik Srpska in Srebenica wurde vom Internationalen Strafgerichtshof als Genozid eingestuft. Der Versuch, die Beziehungsgeflechte der verschiedenen Nationalitäten in Bosnien und Herzegowina aufzubrechen, resultierte aus einem Krieg um Macht und Land, der die ethnonationalen Positionen massiv radikalisierte. Eine Zuordnung als Serbe, Kroate oder Bosniake war nahezu unumgänglich und das Daytoner Friedensabkommen schuf auch keine Lösung. Ihm nach ist Bosnien und Herzegowina weder serbisch noch kroatisch noch muslimisch, vielmehr sind einige Teile serbisch, andere kroatisch und dritte muslimisch. Auch in historischen Fragen ist das Land uneinig, was sich an den unterschiedlichen Feiertagen innerhalb der verschiedenen Teile Bosnien und Herzegowinas zeigt. Obwohl Bosnien und Herzegowina zum ersten Mal in der Moderne ein eigener Staat ist, war es nie zu vor dermaßen politisch und gesellschaftlich zersplittert und zerstritten. Zudem ist der Staat weiterhin nicht völlig souverän: die internationale Staatengemeinschaft hat weiterhin die Oberaufsicht und Zagreb und Belgrad üben weiterhin Einfluss auf die bosnische Innenpolitik aus.
Auch wirtschaftlich ist das Land weiterhin stark benachteiligt: Seit dem Kriegsende 1995 ist kaum Aufschwung zu erkennen, die Arbeitslosigkeit beträgt 18% und die Preise für die täglichen Waren sind teilweise noch sehr hoch – zu hoch für viele Bewohner.
Quelle: Flessenkemper, Tobias/ Moll, Nicolas (Hg.): Das politische System Bosnien und Herzegowinas. Herausforderungen zwischen Dayton-Friedensabkommen und EU-Annäherung. Wiesbaden: Springer 2018.